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Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft

Ein Auswahlverfahren, welches einen kurzen telefonischen Erstkontakt mit Bewerbern für eine Tätigkeit als Postzusteller vorsieht, kann Bewerber, deren Muttersprache nicht deutsch ist, wegen ihrer ethnischen Herkunft mittelbar benachteiligen.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat ein Unternehmen der Postbranche zur Zahlung von Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz an einen in der Elfenbeinküste geborenen Stellenbewerber verurteilt. Das Arbeitsgericht sieht in der Ausgestaltung des Auswahlverfahrens für Postzusteller durch das Unternehmen einen Verstoß gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft (§§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 AGG).

Die Beklagte suchte Postzusteller, die laut Stellenausschreibung die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen sollten. Der Kläger, dessen Muttersprache Französisch ist, bewarb sich bei der Beklagten.

Bei Bewerbungen dieser Art nimmt die Beklagte üblicherweise den Erstkontakt über das Telefon auf. Auch der Kläger wurde aufgrund seiner Bewerbung von einer Mitarbeiterin der Beklagten angerufen, die ihn fragte, ob er Fahrrad fahren könne. Da die Mitarbeiterin bei dem Telefongespräch zu der Einschätzung gelangte, dass der Kläger sich nicht ansprechend klar und deutlich in deutscher Sprache auszudrücken vermochte, wurde die Bewerbung des Klägers abgelehnt.

In der Vorgehensweise der Beklagten liegt eine mittelbare Benachteiligung von Bewerbern, deren Muttersprache nicht deutsch ist. Denn für Angehörige anderer Ethnien ist es typischerweise schwerer als für muttersprachlich deutsche Bewerber, bei dem telefonischen Erstkontakt ein ansprechend klares und deutliches Ausdrucksvermögen in deutscher Sprache zu zeigen.

Das von der Beklagten angewandte Auswahlverfahren ist nicht durch ein legitimes Ziel sachlich gerechtfertigt (§ 3 Abs. 2 AGG). Das Verfahren ist weder geeignet noch erforderlich um zu ermitteln, ob ein Bewerber die für die Tätigkeit eines Postzustellers erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift mitbringt. Denn zum einen ist ein kurzer telefonischer Kontakt keine hinreichende Grundlage, um die sprachlichen Fähigkeiten des Bewerbers festzustellen. Zum anderen ist das von der Beklagten herangezogene  Auswahlkriterium – nämlich das ansprechend klare und deutliche Ausdrucksvermögen in deutscher Sprache (am Telefon) – für die zu besetzende Stelle eines Postzustellers nicht angemessen. Erforderlich für einen Postzusteller ist lediglich eine für die Kundenkommunikation und die Kommunikation mit dem Arbeitgeber und den Kollegen hinreichende Sprachkenntnis in Wort und Schrift.

Arbeitsgericht Hamburg,  Urteil vom 26.1.2010.

Entschädigungszahlung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zugesprochen

Das Arbeitsgericht Hamburg hat in einer Entscheidung vom 4. Dezember 2007 (Aktenzeichen 20 Ca 105/07) die Arbeitgeberin zur Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) in Höhe von 3 Monatsverdiensten verurteilt, weil sie die Bewerberin im Einstellungsverfahren wegen ihrer Religion benachteiligt habe.

Der beklagte Arbeitgeber ist der für Hamburg zuständige Landesverband des Diakonischen Werkes und als solcher Teil der Nordelbischen Evangelisch-lutherischen Kirche. Er hatte eine aus Mitteln des Bundes und der EU fremdfinanzierte Stelle für eine Sozialpädagogin/einen Sozialpädagogen in einem Teilprojekt „Integrationlotse Hamburg“ ausgeschrieben. In der Stellenanzeige heißt es: „Dieses Projekt ist ein Schulungs- und Informationsangebot für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Bereich der beruflichen Integration von erwachsenen Migrantinnen und Migranten“. Als diakonische Einrichtung setze er die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche voraus.

Auf diese Stellenanzeige bewarb sich die klagende Arbeitnehmerin. Sie ist Deutsche türkischer Herkunft und gehört keiner christlichen Kirche an. Auf Nachfrage des Arbeitgebers teilte die Arbeitnehmerin mit, sie sei gebürtige Muslimin, praktiziere aber keine Religion. Auf die Frage, ob sie sich den Eintritt in die Kirche vorstellen könne, teilte sie mit, sie halte dies nicht für nötig, da die Stelle keinen religiösen Bezug aufweise.

Der Arbeitgeber lehnte die Bewerberin ab. Die Arbeitnehmerin fühlt sich dadurch wegen ihrer Religion sowie mittelbar wegen ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt und nimmt den Arbeitgeber auf Entschädigungszahlung in Anspruch. Dies lehnt der Arbeitgeber ab und begründet dies damit, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion gemäß § 9 Abs. 1 AGG zulässig sei, weil die christliche Religion unter Beachtung seines Selbstverständnisses sowohl im Hinblick auf sein Selbstbestimmungsrecht als auch nach Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte  berufliche Anforderung für die Mitarbeit im Diakonischen Werk darstelle.

Dieser Argumentation folgt die 20. Kammer des Arbeitsgerichts Hamburg im Ergebnis nicht und führt in den Urteilsgründen in den Kernsätzen folgendes aus.

§ 9 Abs. 1 AGG sei richtlinienkonform (Artikel 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG vom 27.11.2000) auszulegen.

Bei richtlinienkonformer Auslegung sei das Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft kein absoluter und abschließender Maßstab für eine unterschiedliche Behandlung. Vielmehr dürfe für die konkrete Tätigkeit das Selbstverständnis der Kirche nur dann eine entscheidenden Rolle spielen, wenn diese dazu in einer direkten Beziehung stehe, was nicht für jegliche Tätigkeit bei der Kirche sondern nur für den sog. verkündungsnahen Bereich anzunehmen sei.

Das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht berechtige den kirchlichen Arbeitgeber nicht, die Einstellung für Tätigkeiten im verkündungsfernen Bereich von der Kirchenzugehörigkeit abhängig zu machen. Dem sei die ausgeschriebene Stelle zuzurechnen.

Auch nach Art der Tätigkeit sei für die Stelle die Kirchenzugehörigkeit keine gerechtfertigte Anforderung.

Die öffentlichen Auftritte bei Behörden, Verbänden etc., wie nach der Stellenausschreibung vorgesehen, beträfen nicht den religiösen Hintergrund des Arbeitgebers, sondern unmittelbar das Projekt „Integrationslotse“. Dass und warum nur Personen mit Kirchenzugehörigkeit das Projektziel verwirklichen könnten, habe der Arbeitgeber nicht ausreichend darlegen können.

Die Kammer führt weiter aus, dass sowohl die umfassende Fremdfinanzierung des Projektes „Integrationslotse“ als auch die dringende Empfehlung im Zuwendungsbescheid, keine den Bewerberkreis einschränkenden Vorgaben zu machen und die Auswahl der Mitarbeiter neutral durchzuführen, gegen die christliche Prägung der in Frage stehenden Stelle spreche.

Gegen dieses Urteil ist für die unterlegene Arbeitgeberin  das Rechtsmittel der Berufung zum Landesarbeitsgericht Hamburg gegeben.

Keine ordnungsgemäße Anhörung bei Verdachtskündigung

Leitsatz

Wird bei einer Verdachtskündigung im vorgeschalteten Anhörungsverfahren des Arbeitnehmers lediglich auf die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Bezug genommen, so liegt eine ordnungsgemäße Anhörung nicht vor, da der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht alle vermeintlichen Erkenntnisse mitteilt, die er im Anhörungszeitpunkt bereits hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Arbeitnehmer der Inhalt der Ermittlungsakte bekannt ist. Beweispflichtig hierfür ist der Arbeitgeber.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. Juni 2005 – 21 Ca 523/03 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Mit seiner am 09. Oktober 2003 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen eine fristlose Kündigung durch die Beklagte und begehrt von dieser die Weiterbeschäftigung.

Der Kläger ist seit dem 23. August 1999 bei der Beklagten als Sozialpädagoge, zuletzt mit einem monatlichen Bruttoentgelt von € 1.600.– bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 34 Stunden beschäftigt.

Zwischen dem 14. und 20. Juli 2003 ging bei der Beklagten eine Akte über ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger ein. Der Kläger wurde darin beschuldigt, in der Zeit vom 14. September 2001 bis 09. April 2003 in 11 Fällen Sachbeschädigungen begangen zu haben, indem er Reifen ehemaliger Kolleginnen sowie deren Ehemänner zerstach. Die beiden ehemaligen Kolleginnen des Klägers hätten sich während der Tätigkeit des Klägers an der Gesamtschule … kritisch über den Kläger geäußert. Die beiden ehemaligen Kolleginnen erstatteten Strafanzeige. Eine Detektei in Hamburg installierte daraufhin im Auftrag der Polizei eine Videoüberwachung. Am 09. April 2003 wurde jemand gefilmt, der Reifen aufstach. Die beiden früheren Kolleginnen des Klägers gaben an, den Kläger auf dem Band zu erkennen.

Am 14. Juli 2003 informierte die Beklagte den Kläger, dass sie beabsichtige, ihm zu kündigen. Sie gab ihm Gelegenheit, bis 25. August 2003 Stellung zu nehmen. Am 22. August 2003 erklärte der Kläger, sich nicht äußern zu wollen. Am 26. August 2003 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat zur beabsichtigten Kündigung an. Am 02. September 2003 sprach sie eine Kündigung aus. Am 08. September 2003 erfuhr die Beklagte vom Personalrat, dass der Kläger ein schwer behinderter Mensch ist. Am 10. September 2003 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamtes. Am 11. September 2003 hörte sie den Personalrat zur beabsichtigten Kündigung an mit dem Hinweis, dass die Zustimmung des Integrationsamtes beantragt werden solle. Am 29. September 2003 erteilte das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung.

Ebenfalls am 29. September 2003 erklärte die Beklagte die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Eine fristgemäße Kündigung sprach die Beklagte nicht aus, da der Personalrat die Zustimmung verweigerte und die Einigungsstelle signalisierte, die fehlende Zustimmung des Personalrats nicht zu ersetzen.

Am 10. August 2004 sprach das Amtsgericht Hamburg den Kläger frei. In dem Urteil heißt es u. a.:

“Der Angeklagte war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Ihm konnte die Begehung der ihm vorgeworfenen Taten nicht mit einer für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden.
Es sprechen mehrere Indizien für eine Täterschaft des Angeklagten …

Diese Indizien alleine reichen jedoch nach Überzeugung des Gerichts für eine Verurteilung nicht aus. Das Gericht glaubt, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen 11 Taten begangen hat, hat jedoch letzte – geringe – Zweifel an der Begehung durch den Angeklagten, die dazu führen, dass das Gericht diesen freigesprochen hat …”

Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein. Durch Urteil vom 10. August 2004 wies das Landgericht Hamburg die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg zurück. In dem Urteil heißt es zur Begründung:

“Die Hauptverhandlung hat nicht mit der für eine Verurteilung sicheren Feststellung ergeben, dass der Angeklagte die Taten begangen hat oder auch nur mittelbar an ihnen beteiligt war. Hinsichtlich der Tat vom 08. auf den 09. Dezember 2001 war eine Täterschaft infolge eines glaubhaften Alibis sicher auszuschließen. In den übrigen Fällen reichten die nach wie vor bestehenden Verdachtsmomente nicht für eine zweifelsfreie Überzeugungsbildung des Gerichts aus. Der Angeklagte war daher aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.”

Mit seiner am 09. Oktober 2003 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend. Er hat vorgetragen, dass die Vorwürfe unzutreffend seien und hat bestritten, dass die beiden ehemaligen Kolleginnen ihn auf dem Video der Polizei erkannt hätten.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29.9.2003 nicht beendet wurde;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;

3. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/oder zu 2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ferner hat beantragt die Beklagte beantragt,

das Arbeitsverhältnis zum 02. Oktober 2003 gegen Zahlung einer vom Gericht festzusetzenden Abfindung aufzulösen.

Der Kläger hat beantragt,

den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass den Kläger ein dringender Tatverdacht treffe. Dieser ergebe sich daraus, dass die Sachbeschädigungen ausschließlich zu Lasten der beiden ehemaligen Kolleginnen des Klägers, die sich nachteilig über ihn geäußert hatten, erfolgt seien. Die Sachbeschädigungen seien an deren in unterschiedlichen Stadtteilen zu Hause geparkten Pkw’s und auf dem Schulhof der gemeinsamen Schule des Klägers und der beiden ehemaligen Kolleginnen erfolgt. Sie hätten nach einer polizeilichen Durchsuchung beim Kläger geendet. Die beiden ehemaligen Kolleginnen hätten den Kläger anhand seiner Bewegungen auf dem polizeilichen Video erkannt. Schließlich habe das Amtsgericht ausgeführt, dass es glaube, dass der Kläger die ihm vorgeworfenen Tatsachen begangen habe. Das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen sei nachhaltig zerstört. Zumindest sei das Arbeitsverhältnis aufzulösen, da der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Fall, dass die Kündigung unwirksam sein sollte, nicht zuzumuten sei. Denn die Personalreferentin für Gesamtschulen habe am 18. Februar 2005 mitgeteilt, dass sie sich außerstande sehe, für den Kläger einen geeigneten Einsatzort an einer Hamburger Schule zu finden, ohne den Betriebsfrieden nachhaltig zu stören und ohne vorhersehbare Probleme für die Person des Klägers.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 27. Juni 2005 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29. September 2003 nicht beendet worden ist, sondern fortbesteht und hat die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Sozialpädagogen weiterzubeschäftigen. Den Auflösungsantrag hat das Arbeitsgericht zurückgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Sie trägt vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, ein dringender Tatverdacht gegen den Kläger liege nicht vor. Jedenfalls für die Feststellung des Vorliegens dringender Verdachtsgründe könne zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht darauf abgestellt werden, ob das Amtsgericht Hamburg ca. ein Jahr später und gestützt auf die Begutachtung der Videoaufzeichnung durch einen Spezialisten des Bundeskriminalamtes die Auffassung vertreten würde, eine hinreichend sichere Identifizierung des Klägers als Täter der Straftaten sei durch diese Videoaufnahme nicht möglich. Entscheidend für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung sei vielmehr ausschließlich die völlig zweifelsfreie und eindeutige Einlassung der betroffenen Zeuginnen … und …. Das Arbeitsgericht räume im Übrigen ein, dass dem Kläger für die Taten ein Motiv unterstellt werden könne und dass hinsichtlich der Örtlichkeit der Taten und der Abfolge der Taten belastende Momente vorhanden seien.

Die Beklagte habe den Kläger mit Schreiben vom 14. Juli 2003 unter Bezugnahme auf den Inhalt der Ermittlungsakte zu den gegen ihn gerichteten Verdachtsmomenten angehört. Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 17. Juli 2003 habe dieser um eine Verlängerung der Stellungnahmefrist wegen Urlaubsabwesenheit des Klägers gebeten. Die Urlaubsrückkehr sei für den 11. August 2003 angekündigt worden. Mit Schreiben vom 14. August 2003 habe sie erneut unter Fristsetzung bis zum 25. August 2003 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Am 22. August 2003 habe der Kläger telefonisch erklärt, dass er keine Stellungnahme abgeben werde.

Der Kläger habe bereits am 14. Juli 2003 Kenntnis vom Inhalt der Ermittlungsakte gehabt. Sein Verfahrensbevollmächtigter habe mit Schreiben vom 16. April 2003 Akteneinsicht verlangt und erhalten. Jedenfalls sei die Akte mit Schreiben vom 23. Juni 2003 an die Staatsanwaltschaft zurückgereicht worden. Es sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass in diesem Zeitraum der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers mit diesem den Inhalt der Ermittlungsakte erörtert habe. Zumindest reiche die Kenntnis des Verfahrensbevollmächtigten von dem Inhalt der Ermittlungsakte aus.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Hamburg vom 27. Juni 2005 – 21 Ca 523/03 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, es habe keine starken Verdachtsmomente gegeben, die eine außerordentliche Kündigung des Klägers rechtfertigen könnten. Die Zeugenaussagen, auf die die Beklagte sich stütze, seien subjektive Wahrnehmungen von Beteiligten. Die Beklagte hätte zudem berücksichtigen müssen, dass bei einer Hausdurchsuchung beim Kläger kein Tatwerkzeug sichergestellt worden sei.

Es sei nicht zutreffend, dass er bereits am 14. Juli 2003 Kenntnis vom Inhalt der Ermittlungsakte gehabt habe. Herr Rechtsanwalt … sei für das Strafverfahren beauftragt worden. Er habe ihn darauf hingewiesen, dass die Ermittlungsakte nicht vollständig gewesen sei, weil die Videoaufzeichnung nicht vorgelegen habe. Diese habe sein Anwalt erst am 08. September 2003 erhalten. Eine Besprechung des vollständigen Inhalts der Ermittlungsakte einschl. Videoband habe erst nach dem 08. September 2003 stattgefunden.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Im Termin vom 11. Mai 2006 erließ das Gericht einen Beweisbeschluss, auf Grund dessen im gleichen Termin der Zeuge … uneidlich vernommen wurde. Hinsichtlich des Inhalts seiner Aussage wird auf die entsprechende Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

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Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist in der Sache jedoch nicht begründet.

Jedenfalls im Ergebnis ist das Arbeitsgericht zu der zutreffenden Entscheidung gelangt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29. September 2003 nicht aufgelöst worden ist.

Die außerordentliche Kündigung ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB wirksam, wenn Tatsachen vorliegen, die dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört.

Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zuletzt BAG AP Nr. 36 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).

Es entspricht den Besonderheiten des wichtigen Grundes bei einer Verdachtskündigung, die Erfüllung der Aufklärungspflicht des Arbeitgebers als Voraussetzung einer wirksamen Verdachtskündigung anzusehen. Der vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Anders als bei einem auf Grund von Tatsachen bewiesenen Sachverhalt besteht bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr, dass ein Unschuldiger betroffen ist. Deshalb ist es gerechtfertigt, strenge Anforderungen an sie zu stellen und vom Arbeitgeber zu verlangen, alles zu tun, um den Sachverhalt aufzuklären. Die Kündigung verstößt anderenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe zu entkräften und Entlastungstatsachen anzuführen.

Die Anhörung des Arbeitnehmers hat im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhaltes zu erfolgen. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Sie muss jedenfalls nicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrates nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung und Information des Betriebsrats einerseits und an die Anhörung des Arbeitnehmers im Rahmen einer Verdachtskündigung andererseits dienen anderen Zwecken und sind schon deshalb im Ansatz nicht vergleichbar. Dennoch reicht es grundsätzlich nicht aus, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen einer Anhörung zu einer Verdachtskündigung lediglich mit einer unsubstantiierten Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen konkretisierten Sachverhalt beziehen. Nur dann hat der Arbeitnehmer überhaupt die Möglichkeit, sich zum Verdachtsvorwurf und den ihn tragenden Verdachtsmomenten substantiiert zu äußern. Der Arbeitgeber darf deshalb dem Betroffenen keine wesentlichen Erkenntnisse vorenthalten, die er im Anhörungszeitpunkt bereits besitzt. Er muss alle relevanten Umstände angeben, aus denen sich der Verdacht ableitet. Anderenfalls würden die Einlassungs- und Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers unzulässig beschränkt.

In Anwendung dieser Grundsätze ist die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung mit Schreiben vom 29. September 2003 nicht wirksam.

1. Allerdings ist die Kammer nicht der Auffassung des Arbeitsgerichtes, dass keine schwerwiegenden Verdachtsgründe bestehen, dass der Kläger die ihm vorgeworfenen Taten begangen hat. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist immer auf den Zeitpunkt ihres Zuganges zu beurteilen. Demgegenüber begründet das Arbeitsgericht seine Auffassung unter anderem mit den Urteilen des Amtsgerichtes und des Landgerichtes im Strafverfahren gegen den Kläger, mithin mit Umständen, die erst weit nach dem Ausspruch der Kündigung bekannt geworden sind.

Die Verdachtsmomente gegen den Kläger im Zeitpunkt der Kündigung waren zumindest sehr erheblich. Die geschädigten Zeuginnen … und … haben nach Einsichtnahme des Polizeivideos den Kläger als Täter identifiziert. Es handelte sich offensichtlich auch nicht um eine Vandalismustat, sondern um eine Beziehungstat, da gezielt die Reifen der genannten Zeuginnen bzw. ihrer Ehemänner zerstochen wurden. Zwischen dem Kläger und den geschädigten Zeuginnen bestand zumindest eine Beziehung im Sinne einer solchen Beziehungstat.

Zudem gab es ein Motiv für den Kläger, da sich die Zeuginnen kritisch über seine Arbeit geäußert hatten, was zu einer Umsetzung des Klägers an eine andere Schule führte. Allein die Tatsache, dass bei einer Hausdurchsuchung keine Gegenstände gefunden wurden, die den Verdacht erhärtet hatten, lässt den Wert der Verdachtstatsachen nicht als widerlegt erscheinen.

Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob unter Berücksichtigung aller Umstände eine Verdachtskündigung gerechtfertigt wäre, denn die Beklagte hat den Kläger vor Ausspruch der Verdachtskündigung nicht ordnungsgemäß angehört. Dabei handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um den Aufbau zusätzlicher formeller Kündigungserschwerungen, sondern um ein notwendiges Korrektiv für die Zulassung der Verdachtskündigung, um zu verhindern, dass Unschuldige allein auf Grund des Verdachtes ihren Arbeitsplatz verlieren.

2. Die Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 14. Juli 2003 war im Lichte der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht ausreichend. Die Beklagte hat dem Kläger nicht alle wesentlichen Erkenntnisse mitgeteilt, die sie im Anhörungszeitpunkt bereits besaß.

Ausweislich des Anhörungsschreibens (Blatt 14 d. A.) hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass sie in die Ermittlungsakte Einsicht genommen hat. Weiterhin hat sie mitgeteilt, dass der Kläger im Verdacht stehe, in 8 Fällen mehrere Reifen der Fahrzeuge von Herrn …, dem Ehemann seiner früheren Kollegin Frau …, sowie in 3 Fällen Reifen des Fahrzeuges seiner früheren Kollegin Frau S.-L. zerstochen zu haben. Damit ist zwar der inhaltliche Vorwurf mitgeteilt, doch reicht dies nicht aus, um dem Kläger ausreichende Gelegenheit zu geben, die Vorwürfe zu entkräften. Um dieses tun zu können, mussten dem Kläger die konkreten Zeiten der jeweiligen Sachbeschädigungen mitgeteilt werden. Denn nur dann war der Kläger in der Lage, sich über ein einfaches Bestreiten der Vorwürfe hinaus konkret zu entlasten.

Insbesondere war es dem Kläger verwehrt, für die konkreten Zeitpunkte durch Vortrag eines Alibis sich zu entlasten. Andererseits waren der Beklagten die konkreten Zeitpunkte der Taten aus der Ermittlungsakte bekannt, so dass sie ihr bekannte Umstände dem Kläger im Rahmen des Anhörungsverfahrens vorenthalten hat. Der schlichte Hinweis auf den Inhalt der Ermittlungsakte war insoweit nicht ausreichend.

Allerdings ist die Kammer der Auffassung, dass sich der Kläger auf diesen Umstand nicht berufen könnte, wenn ihm der Inhalt der Ermittlungsakte, auf die die Beklagte Bezug genommen hat, und damit auch die konkreten Daten der Sachbeschädigungen bekannt gewesen wären. Allerdings hat die Beklagte den ihr obliegenden Beweis, dass der Kläger die Vorwürfe konkret kannte, nicht führen können. Aus der Vernehmung des Zeugen … dem Rechtsanwalt des Klägers im Strafverfahren, hat sich ergeben, dass dieser die Ermittlungsakte angefordert hatte und, wie sich aus dem Schreiben vom 23. Juli 2003 ergibt, diese wiederum an die Staatsanwaltschaft zurückgesandt hatte (Blatt 178 d. A.).

Allerdings hat der Zeuge … nicht ausgesagt, dass er die Ermittlungsakte dem Kläger zur Verfügung gestellt oder den Inhalt der Ermittlungsakte mit dem Kläger vor dem 25. August 2003 besprochen hat. Erst nachdem sein Verteidiger den Polizeivideofilm eingesehen hatte, hat der Zeuge mit dem Kläger die Vorwürfe besprochen und darauf hingewiesen, was an Beweismitteln vorgelegen hat. Dabei ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das Videoband nach dem 25. August 2003 an den Zeugen … übersandt worden ist.

Bedenkt man, dass die letzte Frist, die dem Kläger zur Anhörung gesetzt war, der 25. August 2003 war, kann nicht mit letzter Sicherheit davon ausgegangen werden, dass dem Kläger die Vorwürfe nach Zeit und Ort der jeweiligen Sachbeschädigungen im Anhörungsverfahren bekannt waren, so dass er sich konkret im Rahmen der Anhörung nicht entlasten konnte.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten kann es für die Wirksamkeit der Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung nicht darauf ankommen, ob der vom Kläger beauftragte Rechtsanwalt Kenntnis der Vorwürfe nach Ort und Zeit hatte. Der Rechtsanwalt selbst konnte zu den Vorwürfen der Beklagten unmittelbar keine Auskunft geben. Die Entlastung im Rahmen des Anhörungsverfahrens oblag dem Kläger, der auch insoweit von der Beklagten angeschrieben worden ist. Mangels konkreter Angaben im Anhörungsschreiben hinsichtlich Zeit und Ort war der Rechtsanwalt auch nicht gehalten, ihm vorliegende Erkenntnisse an den Kläger weiterzuleiten, zumal sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt in Urlaub befand.

Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Beklagten, dass der Kläger gehalten gewesen ist, die fehlenden Angaben im Anhörungsschreiben durch Einsichtnahme in die Ermittlungsakte zur Kenntnis zu nehmen. Eine Rechtspflicht, formelle Fehler des Arbeitgebers im Rahmen des Anhörungsverfahrens zu einer Verdachtskündigung zu korrigieren, gibt es nicht.

Nach allem scheitert die Wirksamkeit der Verdachtskündigung an der nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Klägers. Die Tatsache, dass der Kläger am 22. August 2003 mitgeteilt hat, dass er nicht Stellung nehmen werde, ändert nichts an dem formellen Mangel der Anhörung, denn mangels konkretisierter Vorwürfe hätte nur ein substantiiertes Bestreiten erfolgen können, eine konkrete Entlastung war dem Kläger aber nicht möglich, selbst wenn er Stellung genommen hätte.

Eine Umdeutung der unwirksamen fristlosen Kündigung in eine fristgemäße Kündigung kommt bereits deshalb nicht in Betracht, da der Personalrat einer fristgemäßen Kündigung nicht zugestimmt und die Beklagte ein nach dem Hamburgischen Personalvertretungsgesetz erforderliches Einigungsstellenverfahren nicht abgeschlossen hat.

3. Dem Kläger steht auch der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch zu.

Die Kammer ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes der Auffassung, dass ein gekündigter Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgerechte Beschäftigung hat, wenn eine Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen (BAG AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

Da die mit der Klage angefochtene Kündigung unwirksam ist, besteht dem Grunde nach ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers. Überwiegende schutzwerte Interessen der Beklagten an einer Nichtbeschäftigung des Klägers bestehen nicht. Nachdem der Kläger im Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen worden ist, muss auch bei Fortbestehen von Verdachtsmomenten nunmehr davon ausgegangen werden, dass der Kläger als unschuldig zu gelten hat.

4. Nach allem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen, da die Anforderungen an eine Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung insbesondere bei unvollständiger Mitteilung der Vorwürfe höchstrichterlicher Klarstellung bedürfen.

Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 11.05.2006, Aktenzeichen 2 Sa 71/05

Minderung des Reisepreises bei Ausfall der Hauptleistung einer Jagdreise

Leitsätze:
1. Sind bei einer Jagdreise nur der Flug, Transport und Unterkunft ordnungsgemäß durchgeführt worden, die angekündigten Drückjagden als vereinbarte Hauptleistung aber nicht zustandegekommen, so wiegt dieser Mangel so schwer, daß die Minderung des Reisepreises um 50% gerechtfertigt ist.
2. Bei einer Jagdreise wird zwar nicht der Jagderfolg als solcher geschuldet, der Reiseveranstalter muß aber die Voraussetzungen dafür schaffen, daß ein Jagderfolg möglich ist.

LG Göttingen, Urteil vom 19.03.1987, Az. 6 S 312/86

Fristlose Kündigung und Urlaubsgewährung

Das Arbeitsgericht Hamburg hat entschieden, dass ein Arbeitgeber, der fristlos kündigt, nicht wirksam zugleich vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit seiner Kündigung Urlaub gewähren kann. Etwas anderes soll nur gelten, wenn sich der Arbeitgeber unbedingt verpflichtet, trotz seiner fristlosen Kündigung die Urlaubsvergütung zu zahlen.

Die Klägerin war bei der Beklagten als Buchhalterin beschäftigt. Nachdem die Klägerin das Arbeitsverhältnis selbst unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.1.2004 gekündigt hatte, sprach die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 10.12.2003 eine außerordentliche Kündigung aus. Im Kündigungsschreiben heißt es u.a.: „Für den Fall, dass die vorstehend ausgesprochene Kündigung unwirksam sein sollte, stellen wir Sie hiermit vorsorglich von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung auf etwaige Urlaubsansprüche frei.“ Gegen die außerordentliche Kündigung wandte sich die Klägerin erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage und begehrte gleichzeitig die Zahlung von Urlaubsabgeltung. Deren Zahlung verweigerte die Beklagte mit der Begründung, sie habe den Urlaubsanspruch mit der vorsorglichen Freistellung erfüllt.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat die Beklagte zur Zahlung von Urlaubsabgeltung verurteilt. Es hat den Urlaubsanspruch mit der vorsorglichen Freistellung nicht als erfüllt angesehen. Ein Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis beenden will, aber noch Urlaubsansprüche zu befriedigen hat, müsse sich entscheiden: Bei einer fristgemäßen Kündigung ist eine Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaub möglich, bei einer fristlosen Kündigung ist der Urlaub im Falle der Vertragsbeendigung abzugelten. Das Arbeitsgericht hält es für widersprüchliches Verhalten, wenn ein Arbeitgeber einerseits behauptet, das Arbeitsverhältnis sei mit sofortiger Wirkung beendet und gleichzeitig Urlaub gewährt, obwohl der Freizeitanspruch nur im bestehenden Arbeitsverhältnis gewährt und genommen werden könne. Außerdem sei anerkannt, dass Urlaub nicht unter Vorbehalt erteilt werden kann. Drittens würde der Arbeitnehmer in eine sozialrechtlich unhaltbare Situation gebracht werden, weil er sich zur Vermeidung sozialrechtlicher Nachteile umgehend arbeitslos zu melden habe, andererseits kann er dem Arbeitsmarkt aber zur Vermittlung gar nicht zur Verfügung stehe, weil der Arbeitgeber ihm Urlaub gewährt hat. Viertens sei auch der Erholungszweck des Urlaubs in der vom Arbeitgeber geschaffenen ungewissen Situation nicht zu realisieren.

(Urteil vom 26.4.2004,  Aktenzeichen 21 Ca 658/03)