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Sachgrundlose Befristung wegen Vorbeschäftigung unzulässig
Eine sachgrundlose Befristung kann unzulässig sein, obwohl die Vorbeschäftigung beim selben Arbeitgeber länger als drei Jahre zurück liegt Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. September 2013 – Aktenzeichen 6 Sa 28/13
Das LAG Baden-Württemberg hat im September 2013 ein interessantes Urteil zum Thema sachgrundlose Befristung gefällt, welches von der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes abweicht.
Hintergrund der Klage war folgender Sachverhalt:
Der Kläger war bei einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie aufgrund jeweils befristeter Arbeitsverträge vom 27. August 2007 bis 30. November 2007 und wieder vom 1. Februar 2011 bis 30. Juni 2011, verlängert bis 31. Mai 2012 und noch einmal verlängert bis 31. Januar 2013 beschäftigt. Mit seiner Klage hat er sich gegen die Befristung seines letzten Arbeitsvertrages gewandt. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Bundesarbeitsgericht hat das Tatbestandsmerkmal „bereits zuvor“ in seiner neueren Rechtsprechung (Urteil vom 6. April 2011 – 7 AZR 716/09) dahin ausgelegt, dass in Anlehnung an die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB Vorbeschäftigungen beim selben Arbeitgeber, die länger als 3 Jahre zurückliegen, nicht zu berücksichtigen sind. Von dieser Rechtsprechung weicht die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg ab. Das Landesarbeitsgericht hält die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung gegen den eindeutigen Wortlaut der Norm und den aus dem Gesetzgebungsverfahren erkennbaren Willen des Gesetzgebers, keine Frist in das Gesetz aufzunehmen, durch das Bundesarbeitsgericht für überschritten. Jedenfalls hätte das Bundesarbeitsgericht die Norm dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorlegen müssen. Außerdem weiche die Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts von der des 2. Senats ab, so dass der 7. Senat das Verfahren zur Wahrung der Rechtseinheit nach § 45 ArbGG hätte durchführen müssen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers kann zulässig sein
Die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber stellt grundsätzlich einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar. Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete, auch im Privatrechtsverkehr und insbesondere im Arbeitsverhältnis zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ist jedoch – auch in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild – nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe können durch Wahrnehmung überwiegend schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob dieses den Vorrang verdient.
Dies ergibt sich aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 27. 3. 2003 – 2 AZR 51/02). Dort hat das Gericht festgestellt, dass die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers dann zulässig ist, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist. Der Verdacht muss in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern bestehen. Er darf sich nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden, er muss sich jedoch nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein. Bevor der Arbeitgeber eine Mitarbeiterüberwachung per Kamera vornimmt, sollte daher sorgfältig geprüft werden, ob mildere Mittel ausgeschöpft sind und eine Videoüberwachung wirklich erforderlich ist. Andernfalls ist das Videomaterial möglicherweise vor Gericht nicht zu verwerten.
Das Arbeitsgericht Frankfurt hatte kürzlich darüber zu entscheiden, ob ein Kündigung einer Arbeitnehmerin durch den Arbeitgeber zulässig ist (6 Ca 4195/15). Er wollte ihr mit Hilfe einer Videoaufnahme den Diebstahl von 500,- Euro aus einem Tresor nachweisen. Wie sich im Verfahren herausstellte, war die Arbeitnehmerin rund um die Uhr an Ihrem Arbeitsplatz videoüberwacht worden. Diese Dauerüberwachung ohne konkreten Anlass wurde für unzulässig erklärt, da die Maßnahme unverhältnismäßig stark in die Grundrechte der Arbeitnehmerin eingriff. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Arbeitnehmer vor einer lückenlosen technischen Überwachung am Arbeitsplatz durch heimliche Videoaufnahmen, so das Gericht. Hält der Arbeitgeber sich nicht an diesen Grundsatz, so ist das unrechtmäßig erlangte Beweismittel nicht zu verwerten. Die Arbeitnehmerin gewann den Prozess und erstritt sich das Recht auf Weiterbeschäftigung.
Das Arbeitsgericht Frankfurt hatte zudem bereits im November 2013 entschieden, dass die Kameras, die den Mitarbeiterbereich des Apple-Stores in Hamburg beobachten, nicht zulässig waren. Apple hatte in seinem Apple-Store in Hamburg den Mitarbeiterbereich lückenlos mit Kameras überwacht und musste deshalb an einen Arbeitnehmer Schmerzensgeld zahlen (Die Zeit berichtete).
Wie die Gerichte immer wieder bestätigen, ist das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein hohes Rechtsgut. Eine Videoüberwachung ist nur erlaubt, wenn vorher das schutzwürdige Interesse des Arbeitgebers durch konkrete Anhaltspunkte festgestellt wurde. Bevor ein Arbeitgeber in Hamburg wegen Warenschwund oder wegen des Verdachtes auf Diebstahl eine lückenlose Videoüberwachung seiner Mitarbeiter vornimmt, sollte er eine versierte Detektei in Hamburg konsultieren, um sicherzustellen, dass die erstellten Aufnahmen vor Gericht verwertet werden können und der gewünschte Beweis dadurch erbracht werden kann.