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Sachgrundlose Befristung wegen Vorbeschäftigung unzulässig
Eine sachgrundlose Befristung kann unzulässig sein, obwohl die Vorbeschäftigung beim selben Arbeitgeber länger als drei Jahre zurück liegt Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. September 2013 – Aktenzeichen 6 Sa 28/13
Das LAG Baden-Württemberg hat im September 2013 ein interessantes Urteil zum Thema sachgrundlose Befristung gefällt, welches von der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes abweicht.
Hintergrund der Klage war folgender Sachverhalt:
Der Kläger war bei einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie aufgrund jeweils befristeter Arbeitsverträge vom 27. August 2007 bis 30. November 2007 und wieder vom 1. Februar 2011 bis 30. Juni 2011, verlängert bis 31. Mai 2012 und noch einmal verlängert bis 31. Januar 2013 beschäftigt. Mit seiner Klage hat er sich gegen die Befristung seines letzten Arbeitsvertrages gewandt. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Bundesarbeitsgericht hat das Tatbestandsmerkmal „bereits zuvor“ in seiner neueren Rechtsprechung (Urteil vom 6. April 2011 – 7 AZR 716/09) dahin ausgelegt, dass in Anlehnung an die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB Vorbeschäftigungen beim selben Arbeitgeber, die länger als 3 Jahre zurückliegen, nicht zu berücksichtigen sind. Von dieser Rechtsprechung weicht die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg ab. Das Landesarbeitsgericht hält die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung gegen den eindeutigen Wortlaut der Norm und den aus dem Gesetzgebungsverfahren erkennbaren Willen des Gesetzgebers, keine Frist in das Gesetz aufzunehmen, durch das Bundesarbeitsgericht für überschritten. Jedenfalls hätte das Bundesarbeitsgericht die Norm dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorlegen müssen. Außerdem weiche die Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts von der des 2. Senats ab, so dass der 7. Senat das Verfahren zur Wahrung der Rechtseinheit nach § 45 ArbGG hätte durchführen müssen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers kann zulässig sein
Die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber stellt grundsätzlich einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar. Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete, auch im Privatrechtsverkehr und insbesondere im Arbeitsverhältnis zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ist jedoch – auch in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild – nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe können durch Wahrnehmung überwiegend schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob dieses den Vorrang verdient.
Dies ergibt sich aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 27. 3. 2003 – 2 AZR 51/02). Dort hat das Gericht festgestellt, dass die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers dann zulässig ist, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist. Der Verdacht muss in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern bestehen. Er darf sich nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden, er muss sich jedoch nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein. Bevor der Arbeitgeber eine Mitarbeiterüberwachung per Kamera vornimmt, sollte daher sorgfältig geprüft werden, ob mildere Mittel ausgeschöpft sind und eine Videoüberwachung wirklich erforderlich ist. Andernfalls ist das Videomaterial möglicherweise vor Gericht nicht zu verwerten.
Das Arbeitsgericht Frankfurt hatte kürzlich darüber zu entscheiden, ob ein Kündigung einer Arbeitnehmerin durch den Arbeitgeber zulässig ist (6 Ca 4195/15). Er wollte ihr mit Hilfe einer Videoaufnahme den Diebstahl von 500,- Euro aus einem Tresor nachweisen. Wie sich im Verfahren herausstellte, war die Arbeitnehmerin rund um die Uhr an Ihrem Arbeitsplatz videoüberwacht worden. Diese Dauerüberwachung ohne konkreten Anlass wurde für unzulässig erklärt, da die Maßnahme unverhältnismäßig stark in die Grundrechte der Arbeitnehmerin eingriff. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Arbeitnehmer vor einer lückenlosen technischen Überwachung am Arbeitsplatz durch heimliche Videoaufnahmen, so das Gericht. Hält der Arbeitgeber sich nicht an diesen Grundsatz, so ist das unrechtmäßig erlangte Beweismittel nicht zu verwerten. Die Arbeitnehmerin gewann den Prozess und erstritt sich das Recht auf Weiterbeschäftigung.
Das Arbeitsgericht Frankfurt hatte zudem bereits im November 2013 entschieden, dass die Kameras, die den Mitarbeiterbereich des Apple-Stores in Hamburg beobachten, nicht zulässig waren. Apple hatte in seinem Apple-Store in Hamburg den Mitarbeiterbereich lückenlos mit Kameras überwacht und musste deshalb an einen Arbeitnehmer Schmerzensgeld zahlen (Die Zeit berichtete).
Wie die Gerichte immer wieder bestätigen, ist das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein hohes Rechtsgut. Eine Videoüberwachung ist nur erlaubt, wenn vorher das schutzwürdige Interesse des Arbeitgebers durch konkrete Anhaltspunkte festgestellt wurde. Bevor ein Arbeitgeber in Hamburg wegen Warenschwund oder wegen des Verdachtes auf Diebstahl eine lückenlose Videoüberwachung seiner Mitarbeiter vornimmt, sollte er eine versierte Detektei in Hamburg konsultieren, um sicherzustellen, dass die erstellten Aufnahmen vor Gericht verwertet werden können und der gewünschte Beweis dadurch erbracht werden kann.
Kein Anspruch auf kostenlosen Betriebsparkplatz kraft betrieblicher Übung
Auch die Landesarbeitsgerichte außerhalb Hamburgs fällen interessante Urteile. So hatte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in Stuttgart kürzlich über einen Fall zu entscheiden, bei dem es um die Bereitstellung eines kostenlosen Betriebsparkplatzes durch den Arbeitgeber ging. Laut Urteil des LArbG Stuttgart besteht kein Rechtsanspruch auf die fortgesetzte Nutzung eines solchen Parkplatzes durch den klagenden Arbeitnehmer aufgrund betrieblicher Übung.
Im der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt hatte der Arbeitgeber im Rahmen von Neubaumaßnahmen die bislang bestehende Parkplatzsituation verändert, indem er unter erheblichen Aufwendungen eine neue Parkfläche geschaffen hatte.
Das Landesarbeitsgericht Stuttgart hat entschieden, dass ein Rechtsanspruch auf die Nutzung eines kostenlosen Betriebsparkplatzes jedenfalls in einem solchen Fall nicht aufgrund von betrieblicher Übung besteht.
Auch bei jahrelanger kostenfreier Benutzung eines Betriebsparkplatzes können Arbeitnehmer des Betriebes nicht berechtigterweise davon ausgehen, der Arbeitgeber werde auch in der Zukunft kostenlose Parkplätze für seine Mitarbeiter bereitstellen.
Die Parteien des Rechtsstreits waren unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die Beklagte – ein Klinikum – verpflichtet ist, dem Kläger einen kostenfreien Parkplatz auf dem Betriebsgelände zur Verfügung zu stellen. Auf dem Klinikgelände standen vor Beginn der umfangreichen Baumaßnahmen im Jahr 2011 insgesamt 558 Stellplätze auf diversen Parkflächen zur Verfügung. Diese Parkplätze konnten sowohl von Patienten, als auch von Mitarbeitern des Klinikums sowie Angehörigen und Besuchern genutzt werden, ohne dass dafür ein Nutzungsentgelt anfiel.
Im Rahmen von Neu- und Umbaumaßnahme entfielen die bisherigen 558 Stellplätze vollständig, die Beklagte richtete jedoch insgesamt 634 neue Stellplätze auf dem Klinikgelände ein. Diese neuen Parkplätze konnten von Patienten, Mitarbeitern, Besuchern und Anwohnern genutzt werden, wobei die Beklagte jedoch seit der offiziellen Inbetriebnahme der neuen Parkplätze ein Nutzungsentgelt für das Einstellen von Fahrzeugen erhebt. Dieses beläuft sich für die Mitarbeiter der Beklagten pro Stunde auf einen Betrag in Höhe von 0,10 Euro, eine Tagespauschale von maximal 0,70 Euro und für eine Monatskarte ca. 12 Euro. Von Patienten, Besuchern und Anwohnern verlangt das Klinikum pro angefangene Stunde einen Betrag in Höhe von 1,50 Euro, wobei die Zufahrt zu den Parkplätzen durch eine Schranke und ein elektronisches Bezahl- und Öffnungssystem geregelt wird, so dass ein Abstellen von Fahrzeugen ohne Entrichtung eines Nutzungsentgeltes unmöglich gemacht wird.
Ein Stuttgarter Anwalt für Arbeitsrecht hatte für den Kläger geltend gemacht, dass die beklagte Arbeitgeberin ihm auch weiterhin einen kostenfreien Parkplatz zur Verfügung stellen müssen. Dies ergebe sich aus der entstandenen betrieblichen Übung. Das Landesarbeitsgericht Stuttgart ist in seinem Urteil jedoch zu der Rechtsansicht gelangt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, dem Kläger einen kostenfreien Parkplatz zur Verfügung zu stellen.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich kein Anspruch aus einer betrieblichen Übung. Der Kläger habe nicht berechtigterweise davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte ihm auch künftig die kostenfreie Nutzung der betriebseigenen Parkplätze gestatten werde. Der Arbeitgeber sei nicht grundsätzlich dazu angehalten, für seine Arbeitnehmer Parkplätze bereitzuhalten. Zwar verlange der Kläger hier nur, dass ihm der Arbeitgeber dann, wenn er weiterhin auf rein freiwilliger Basis Parkplätze zur Verfügung stellt, die Nutzung für die Arbeitnehmer kostenfrei ermöglicht.
Jedoch verkenne der Kläger mit dieser Argumentation, dass die Beklagte nicht etwa für das bereits bestehende und bisher kostenlos zur Verfügung gestellte Parkgelände plötzlich Parkgebühren erhoben hat, sondern im Zuge einer aufwändigen Umgestaltung des Parkgeländes die bisher vorhandenen Stellplätze beseitigt hat und dann vollkommen neue Stellplätze eingerichtet hat, für die sie nunmehr Gebühren erhebt. Unter diesen Voraussetzungen könnten die Beschäftigten gemäß Urteil des LAG nicht erwarten, dass ihnen die Parkplatznutzung auch weiterhin kostenfrei ermöglicht werde.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13.01.2014, Aktenzeichen 1 Sa 17/13
Keine Kündigung wegen Totenkopf Foto im Facebook Profil eines Polizisten
Das ArbG Hamburg hat am 18.09.2013 unter dem Aktenzeichen 27 Ca 207/13 entschieden, dass die außerordentliche Kündigung eines Polizeiangestellten wegen der Veröffentlichung eines Totenkopf-Fotos, aufgenommen vor einer jüdischen Schule, auf der Facebook-Seite des Angestellten, unwirksam ist und dieser weiterbeschäftigt werden muss.
Herr W., ein Angestellter im Polizeidienst, hat sich mit seiner Klage gegen die außerordentliche fristlose Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch seine Arbeitgeberin, die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) mit Schreiben vom 11.04.2013 gewehrt. Die FHH wirft Herrn W. vor, auf seiner persönlichen Facebook-Seite das Foto eines Totenschädels mit Polizeimütze veröffentlicht zu haben, das im Postencontainer vor dem Schutzobjekt Joseph-Carlebach-Schule (Rotherbaum) der Jüdischen Gemeinde in Hamburg aufgenommen wurde. Herr W. war dort als Objektschützer eingesetzt. Herr W. hat die Anfertigung und das Einstellen des Fotos auf seiner Facebook-Seite eingeräumt und angeführt, es habe sich um ein Scherz-Foto gehandelt. Er habe zu keiner Zeit den Totenkopf als Symbol der SS-Totenkopfverbände benutzt oder verstanden. Er bedaure, dass er seinerzeit nicht erkannt habe, dass es unangemessen ist, ein solches Foto vor einer jüdischen Einrichtung aufzunehmen. Sollte er damit Gefühle von Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde verletzt haben, tue ihm dies aufrichtig leid und er entschuldige sich dafür ausdrücklich. Er sei weder in verfassungsfeindlichen Organisationen politisch aktiv noch hege er ein nationalsozialistisches oder rechtsradikales Gedankengut. Darüber hinaus wirft die FHH Herrn W. vor, in der Vergangenheit u.a. Kollegen mit ausländerfeindlichen Sprüchen beleidigt zu haben. Dies bestreitet Herr W.
Das ArbG Hamburg hat festgestellt, dass die Kündigung unwirksam ist.
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts hat die Polizei nicht dargelegt und nachgewiesen, dass Herr W. das Foto aufgrund einer rechtsradikalen Gesinnung aufgenommen und in das Internet gestellt hat. Maßgeblich sei, dass der fotografierte Totenschädel nicht zwangsläufig Ausdruck einer rechtsradikalen Gesinnung ist, sondern dass der Totenschädel vielfach auch in anderen Zusammenhängen, etwa bei einem Fußballverein, als Symbol verwendet werde. Auch sei nicht ersichtlich, dass es einen Zusammenhang mit dem Totenschädel und der nur im Hintergrund zu sehenden Schule gäbe, die auf dem Foto nur Ortskundige erkennen könnten. Die Darstellung der Polizei zu den Vorfällen aus der Vergangenheit sei nicht ausreichend aussagekräftig, um das Foto mit dem Totenschädel in einem anderen Licht sehen zu können.
Außerordentliche Verdachtskündigung von Betriebsratsvorsitzendem
Das ArbG Hamburg hat entschieden, dass der dringende Verdacht, dass der betroffene Arbeitnehmer und Mitglied des Betriebsrats eine Gutschrift, die ein Lieferant im Rahmen eines Geschäfts mit seiner Arbeitgeberin gewährt hatte, für private Zwecke genutzt hat, die außerordentliche Kündigung rechtfertigt.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Container-Terminal im Hamburger Hafen. Der Arbeitnehmer ist seit 1988 bei ihr beschäftigt. Er gehört dem Betriebsrat seit dem Jahr 2002 an und ist seit 2005 dessen Vorsitzender. Er ist Spartenleiter der Betriebssportgruppe Fußball bei der Arbeitgeberin und als solcher zuständig für die Beschaffung von Sportartikeln und Sportkleidung für die Sparte Fußball. In dieser Funktion bestellte er für die Betriebssportgruppe bei der Lieferantin von Arbeitskleidung, Sicherheitskleidung und Sportkleidung, deren Großkunde die Arbeitgeberin ist, im November 2011 52 Trainingsanzüge. Die Arbeitgeberin stützt die von ihr beabsichtigte außerordentliche Kündigung auf den dringenden Verdacht der unzulässigen Verwendung einer im Zusammenhang mit der Abwicklung dieser Bestellung verlangten unternehmenszugehörigen Gutschrift für private Zwecke durch den Arbeitnehmer.
Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers kann gemäß § 15 Abs. 1 KSchG aufgrund seiner Betriebsratsmitgliedschaft nur außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden und nur dann, wenn hierfür vorher die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats vorliegt. Gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 KSchG hat das Arbeitsgericht die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds dann zu ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gemäß § 626 BGB gerechtfertigt ist.
Das ArbG Hamburg hat auf Antrag der Arbeitgeberin die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers ersetzt.
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts besteht nach durchgeführter Beweisaufnahme eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Arbeitnehmer am 13.12.2011 in Anwesenheit des Großkundenbetreuers der Lieferantenfirma auf deren Kosten (bei Auflösung einer vorherigen zu Gunsten der Arbeitgeberin vereinbarten Gutschrift) in einem Geschäft am Schulterblatt Bekleidung zu einem Warenwert von mehreren Hundert Euro für den privaten Bedarf eingekauft hat. Die hohe Wahrscheinlichkeit dieses Geschehensablaufes rechtfertigte die außerordentliche Verdachtskündigung. Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kämen typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Das gelte unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend sei vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch. Außerdem verletze derjenige, der als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile entgegen nehme, zugleich seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten sei ebenso wie ein entsprechender dringender Verdacht “an sich” geeignet, eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.
Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde zum LArbG Hamburg möglich.
ArbG Hamburg vom 22.05.2013, Aktenzeichen 26 BV 31/12
Eine Kündigung ist nicht wirksam, nur weil Arbeitskollegen ihrerseits mit Eigenkündigung drohen
Bevor ein Arbeitgeber auf Druck von Arbeitskollegen eventuell kündigen darf, muss er konkrete Maßnahmen ergriffen haben, die Drucksituation zu beseitigen. Ein Arbeitsverhältnis kann aber gerichtlich gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber bei einer Behörde anzeigt, ohne vorher mit ihm eine Klärung versucht zu haben Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 20.03.2012 entschieden (Az.: 2 Sa 331/11).
Der Kläger war als Vertriebsingenieur bei der Beklagten tätig. Nach einem Freizeitunfall war er in 2009 mehrere Monate arbeitsunfähig krank. Nach seiner Gesundung befand er sich – neben anderen Kollegen – seit November 2009 in Kurzarbeit Null. Die Arbeitgeberin versuchte, den Kläger zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu bewegen und bot ihm eine Abfindung an. Eine Einigung erfolgte nicht. Im Februar 2011 kündigte die Arbeitgeberin mit der Begründung, zwei eng mit dem Kläger zusammenarbeitende Arbeitskollegen aus dem Vertrieb, die für hohen Umsatz sorgten, hätten gedroht, bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers selbst zu kündigen. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis im März 2011 fristgemäß.
Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Die Berufung der Arbeitgeberin hatte insoweit keinen Erfolg. Berufe sich ein Arbeitgeber im Fall einer Kündigung auf eine Drucksituation, so müsse er darlegen, welche konkreten Maßnahmen er ergriffen habe, um die Drucksituation in den Griff zu bekommen. Der Hinweis auf allgemeine Gespräche reiche nicht aus.
Die Arbeitgeberin hat dann aber vor dem Landesarbeitsgericht einen Antrag gestellt, das Arbeitsverhältnis gegen den Willen des Klägers durch das Gericht gegen Zahlung einer geringen Abfindung aufzulösen, weil eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr erwartet werden könne. Der Kläger hatte nämlich bereits im Zusammenhang mit der Anordnung von Kurzarbeit im November 2009 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit geäußert, er werde durch die Arbeitgeberin mit Kurzarbeit bestraft, weil er keiner Trennung zugestimmt habe. So gehe sie immer vor. Die Arbeitgeberin nutze nur die Kurzarbeitsleistungen als Zusatzgeschäft. Während des Kündigungsschutzverfahrens schrieb er nochmals an diese Behörde, die Arbeitgeberin missbrauche gezielt die Kurzarbeitsleistungen. Daraufhin erstattete die Agentur für Arbeit eine Strafanzeige gegen die Arbeitgeberin. Dieses führte zu einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen sie mit hier unbekanntem Ausgang.
Das Landesarbeitsgericht gab dem Auflösungsantrag statt. Der Kläger habe zunächst eine Klärung mit der Beklagten im Betrieb versuchen müssen. Eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit sei hier aber nicht zu erwarten, wenn der Arbeitnehmer sofort eine Anzeige erstatte. Es sei nicht notwendig, dass die Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft gerichtet sei. Vielmehr reiche es aus, wenn die Anzeige zu Ermittlungen gegen den Arbeitgeber führe.
Fristlose Kündigung unwirksam, wenn der Betriebsrat nicht vorher umfassend unterrichtet wurde
Ein interessantes Urteil unserer nördlichen Nachbarn: Vor einer Kündigung wegen Diebstahls oder des Verdachts eines Diebstahls muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht nur die von ihm festgestellten Fakten mitteilen, sondern auch den Verlauf des Arbeitsverhältnisses und seine Interessenabwägung (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein vom 10.01.2012 – 2 Sa 305/11).
Die 41-jährige Klägerin war bei der Beklagten seit 1999 als Reinigungskraft in einer Badeanstalt tätig. 2009 erhielt sie eine Abmahnung wegen Verlassens des Geländes ohne vorherige Abmeldung. Danach wurde sie noch zweimal ermahnt. Sie hatte den Arbeitsplatz ohne Abmeldung verlassen und sie hatte während der Arbeitszeit ein privates Telefonat geführt, ohne dieses Gespräch als „privat“ zu kennzeichnen. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig krank. Jemand sah sie im Betrieb, wie sie das Fundsachenregal durchsuchte und ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber einen Tauchring mitnahm. Über dem Arm trug sie Kleidungsstücke. Der Arbeitgeber hegte den Verdacht des Diebstahls. Er gab der Klägerin Gelegenheit, sich zu dem Geschehen zu äußern. Nach ihren Angaben hatte sie den verlorenen Tauchring ihres Sohnes gesucht und Kleidungsstücke aus ihrem Spind geholt. Der Arbeitgeber schilderte dem Betriebsrat den Sachverhalt und hörte ihn zu einer beabsichtigten Kündigung wegen des Verdachts des Diebstahls an. Die Abmahnung und die Ermahnungen erwähnte er nicht. Auch begründete er nicht, was ihn erwogen hatte, trotz der langen Betriebszugehörigkeit zu kündigen. Danach wurde, trotz Bedenken des Betriebsrates, eine fristlose und vorsorglich eine fristgemäße Kündigung ausgesprochen.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Kündigung als unverhältnismäßig eingeordnet. Das Landesarbeitsgericht bestätigte das Urteil, aber mit einer anderen Begründung: Danach ist die Kündigung bereits aus formellen Gründen unwirksam, weil dem Betriebsrat zu wenig mitgeteilt wurde. Grundsätzlich müsse der Arbeitgeber dem Betriebsrat mehr als nur die konkreten Fakten mitteilen, aus denen sich der Verdacht des Diebstahls ergebe. Er müsse ihn in der Anhörung auch über Abmahnungen, Ermahnungen usw. informieren und schildern, welche Gesichtspunkte er vor seinem Kündigungsentschluss wie gegeneinander abgewogen habe.
Die Revision wurde gegen dieses Urteil nicht zugelassen.
Regelungen zur Altersgrenze im Manteltarifvertrag der Hamburger Hochbahn AG wirksam
Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat heute auf die Berufung der Hamburger Hochbahn AG das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. Juli 2010 abgeändert und die Klage eines Mitarbeiters, der sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der tariflichen Altersgrenze gewendet hatte, abgewiesen.
Der Mitarbeiter Herr A.-R. erreichte im Mai 2010 das 65. Lebensjahr und begehrte die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das 65. Lebensjahr hinaus. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Tarifnorm des § 20 Abs. 5 MTV Hochbahn wegen Verstoß gegen § 10 AGG für unwirksam angesehen.
Dem ist das Landesarbeitsgericht nicht gefolgt. Es hat angenommen, dass die Vorschrift des § 20 Abs. 5 MTV Hochbahn rechtswirksam ist und das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 31. Mai 2010 beendet wurde. Ein Sachgrund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze liege gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. TzBfG vor, denn das Erreichen der Regelaltersgrenze sei nach der Rechtsprechung des BAG ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund, der die Befristung rechtfertige. Die dadurch vorliegende Ungleichbehandlung wegen des Alters sei gemäß § 10 S. 3 Nr. 5 AGG gerechtfertigt. Die vorgenannte Vorschrift sei anzuwenden, da sie nicht gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstoße. § 10 S. 3 Nr. 5 AGG sei eine taugliche, europarechtskonforme Gesetzesgrundlage für tarifvertragliche Altersgrenzen. § 20 Abs. 5 MTV Hochbahn verfolge ausweislich der Protokollnotiz primär arbeitsmarktpolitische Ziele; neben der Förderung der Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen solle damit auch ein positiver Beitrag zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit geleistet werden. Diese Ziele gingen unter Anwendung der Rechtsprechung des EuGH nicht über das hinaus, was zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich sei, wenn der weite Ermessensspielraum berücksichtigt werde, der den Mitgliedsstaaten und den Sozialpartnern auf dem Gebiet der Sozial- und Beschäftigungspolitik zur Verfügung zustehe.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision nicht gegeben seien. Die Berufungskammer folge der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung – Merkmal “junges Team” in Stellenanzeige diskriminierend
Das Merkmal “junges Team” in einer Stellenanzeige stellt auch dann, wenn es unter der Überschrift “Wir bieten Ihnen” erfolgt, einen Verstoß gegen §§ 7, 11 AGG dar. Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat es als Verstoß des Arbeitgebers gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgeetz gewertet, dass ein Unternehmen in einer Stellenausschreibung die Möglichkeit anbot, “eigene Ideen und Vorstellungen in ein junges, erfolgreiches Team einzubringen”. Dies, so die 5. Kammer des LAG, sei eine Altersdiskriminierung, die einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG auslöse. Dem Kläger wurde eine Entschädigung von zwei Monatsgehältern zugesprochen.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier.
Regelung zur Altersgrenze im Manteltarifvertrag der Hamburger Hochbahn AG unwirksam
Das Arbeitsgericht Hamburg hat der Klage eines Mitarbeiters der Hamburger Hochbahn AG stattgegeben. Der Mitarbeiter hatte sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der tariflichen Altersgrenze gewendet.
Die Regelung aus dem Manteltarifvertrag der Hamburger Hochbahn AG, derzufolge ein Arbeitsverhältnis in dem Monat endet, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet, ist unwirksam. Die starre Altersgrenze verstößt gegen das gesetzliche Diskriminierungsverbot wegen Alters gemäß §§ 1, 7 Abs. 1 AGG. Der Hamburger Hochbahn AG ist es in dem Verfahren nicht gelungen, Gründe anzuführen, die die Altersgrenzenregelung rechtfertigen.
Grundsätzlich kann die tarifliche Regelung einer Altersgrenze durch rechtmäßige Ziele, insbesondere durch sozialpolitische Ziele, gerechtfertigt sein. Dies setzt voraus, dass die Altersgrenze ein geeignetes und erforderliches Mittel ist, um diese Ziele zu erreichen.
Die Hamburger Hochbahn AG hat mit der „Förderung der Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen“ und der „Leistung eines Beitrags zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit“ zwar legitime Ziele genannt. Sie hat aber nicht begründet, warum diese Ziele in ihrem Unternehmen (nur) durch eine starre Altersgrenze erreicht werden können.
Insbesondere hat die Hamburger Hochbahn AG nicht ausgeführt, wodurch sichergestellt ist, dass die Stellen, die durch die Altersgrenzenregelung frei werden, neu besetzt werden. Die Besetzung der freien Stellen ist aber Voraussetzung dafür, dass die angeführten sozialpolitischen Ziele erreicht werden können (Eignung der Maßnahme). Zudem fehlt es an einer Auseinandersetzung der Hamburger Hochbahn AG mit der Frage, ob nicht auch ohne eine starre Altersgrenzenregelung eine ausreichend große Zahl der rentenberechtigten Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz aufgeben würde, sodass die angeführten beschäftigungspolitischen Ziele erreicht werden könnten (Erforderlichkeit der Maßnahme).
Mit der Begründung seiner Entscheidung weicht das Arbeitsgericht von einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2008 ab (BAG, 18.06.2008, Az. 7 AZR 116/07). Denn anders als das Bundesarbeitsgericht verlangt es – unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH (EuGH Age Concern England 05.03.2009, C–388-07; EuGH Hütter 18.06.2008, C-88/08) – eine einzelfallbezogene Begründung dafür, warum die tarifliche Regelaltersgrenze geeignet und erforderlich ist, um legitime Ziele zu erreichen.