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Außerordentliche Verdachtskündigung von Betriebsratsvorsitzendem

Das ArbG Hamburg hat entschieden, dass der dringende Verdacht, dass der betroffene Arbeitnehmer und Mitglied des Betriebsrats eine Gutschrift, die ein Lieferant im Rahmen eines Geschäfts mit seiner Arbeitgeberin gewährt hatte, für private Zwecke genutzt hat, die außerordentliche Kündigung rechtfertigt.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Container-Terminal im Hamburger Hafen. Der Arbeitnehmer ist seit 1988 bei ihr beschäftigt. Er gehört dem Betriebsrat seit dem Jahr 2002 an und ist seit 2005 dessen Vorsitzender. Er ist Spartenleiter der Betriebssportgruppe Fußball bei der Arbeitgeberin und als solcher zuständig für die Beschaffung von Sportartikeln und Sportkleidung für die Sparte Fußball. In dieser Funktion bestellte er für die Betriebssportgruppe bei der Lieferantin von Arbeitskleidung, Sicherheitskleidung und Sportkleidung, deren Großkunde die Arbeitgeberin ist, im November 2011 52 Trainingsanzüge. Die Arbeitgeberin stützt die von ihr beabsichtigte außerordentliche Kündigung auf den dringenden Verdacht der unzulässigen Verwendung einer im Zusammenhang mit der Abwicklung dieser Bestellung verlangten unternehmenszugehörigen Gutschrift für private Zwecke durch den Arbeitnehmer.
Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers kann gemäß § 15 Abs. 1 KSchG aufgrund seiner Betriebsratsmitgliedschaft nur außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden und nur dann, wenn hierfür vorher die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats vorliegt. Gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 KSchG hat das Arbeitsgericht die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds dann zu ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gemäß § 626 BGB gerechtfertigt ist.

Das ArbG Hamburg hat auf Antrag der Arbeitgeberin die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers ersetzt.

Nach Auffassung des Arbeitsgerichts besteht nach durchgeführter Beweisaufnahme eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Arbeitnehmer am 13.12.2011 in Anwesenheit des Großkundenbetreuers der Lieferantenfirma auf deren Kosten (bei Auflösung einer vorherigen zu Gunsten der Arbeitgeberin vereinbarten Gutschrift) in einem Geschäft am Schulterblatt Bekleidung zu einem Warenwert von mehreren Hundert Euro für den privaten Bedarf eingekauft hat. Die hohe Wahrscheinlichkeit dieses Geschehensablaufes rechtfertigte die außerordentliche Verdachtskündigung. Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kämen typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Das gelte unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend sei vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch. Außerdem verletze derjenige, der als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile entgegen nehme, zugleich seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten sei ebenso wie ein entsprechender dringender Verdacht “an sich” geeignet, eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde zum LArbG Hamburg möglich.

ArbG Hamburg vom 22.05.2013, Aktenzeichen 26 BV 31/12

Fristlose Kündigung unwirksam, wenn der Betriebsrat nicht vorher umfassend unterrichtet wurde

Ein interessantes Urteil unserer nördlichen Nachbarn: Vor einer Kündigung wegen Diebstahls oder des Verdachts eines Diebstahls muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht nur die von ihm festgestellten Fakten mitteilen, sondern auch den Verlauf des Arbeitsverhältnisses und seine Interessenabwägung (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein vom 10.01.2012 – 2 Sa 305/11).

Die 41-jährige Klägerin war bei der Beklagten seit 1999 als Reinigungskraft in einer Badeanstalt tätig. 2009 erhielt sie eine Abmahnung wegen Verlassens des Geländes ohne vorherige Abmeldung. Danach wurde sie noch zweimal ermahnt. Sie hatte den Arbeitsplatz ohne Abmeldung verlassen und sie hatte während der Arbeitszeit ein privates Telefonat geführt, ohne dieses Gespräch als „privat“ zu kennzeichnen. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig krank. Jemand sah sie im Betrieb, wie sie das Fundsachenregal durchsuchte und ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber einen Tauchring mitnahm. Über dem Arm trug sie Kleidungsstücke. Der Arbeitgeber hegte den Verdacht des Diebstahls. Er gab der Klägerin Gelegenheit, sich zu dem Geschehen zu äußern. Nach ihren Angaben hatte sie den verlorenen Tauchring ihres Sohnes gesucht und Kleidungsstücke aus ihrem Spind geholt. Der Arbeitgeber schilderte dem Betriebsrat den Sachverhalt und hörte ihn zu einer beabsichtigten Kündigung wegen des Verdachts des Diebstahls an. Die Abmahnung und die Ermahnungen erwähnte er nicht. Auch begründete er nicht, was ihn erwogen hatte, trotz der langen Betriebszugehörigkeit zu kündigen. Danach wurde, trotz Bedenken des Betriebsrates, eine fristlose und vorsorglich eine fristgemäße Kündigung ausgesprochen.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Kündigung als unverhältnismäßig eingeordnet. Das Landesarbeitsgericht bestätigte das Urteil, aber mit einer anderen Begründung: Danach ist die Kündigung bereits aus formellen Gründen unwirksam, weil dem Betriebsrat zu wenig mitgeteilt wurde. Grundsätzlich müsse der Arbeitgeber dem Betriebsrat mehr als nur die konkreten Fakten mitteilen, aus denen sich der Verdacht des Diebstahls ergebe. Er müsse ihn in der Anhörung auch über Abmahnungen, Ermahnungen usw. informieren und schildern, welche Gesichtspunkte er vor seinem Kündigungsentschluss wie gegeneinander abgewogen habe.

Die Revision wurde gegen dieses Urteil nicht zugelassen.